Bewertung einer Arztpraxis
Bewertung einer Arztpraxis
Von Juristin Nicole Biermann-Wehmeyer
Generationswechsel in der Arztpraxis
Gerade zur Zeit gibt es einen Strukturwandel in einigen Arztpraxen in Deutschland.
Viele Ärzte gehen so langsam auf das Rentenalter zu und sind noch immer von morgens bis abends für die Praxis im dauerhaften Einsatz.
Die Kinder der Ärzte haben sich möglicherweise für eine andere berufliche Laufbahn entschieden und die Nachfolge sollte nun mittelfristig geregelt werden.
Immer häufiger stellt man sich die Frage, wie ein Verkauf aussehen kann. Das Lebenswerk einfach so inserieren und dann an jemanden übergeben, der einen ganz anderen Ansatz und Anspruch hat. Was sagen die Patienten dazu?
Was kann ich als Kaufpreis verlangen?
Viele Fragen stellen sich den Beteiligten in einer solchen Situation. Das Wichtigste ist sicherlich sich einen Überblick über die Ausgangssituation der Praxis zu verschaffen. Welche Werte sind in der Praxis vorhanden und welche Bewertungsmaßstäbe sind ansonsten bei der Kaufpreisgestaltung hinzuzuziehen.
Bewertung einer Arztpraxis: Folgende Fragen stehen im Fokus
- Wie bereite ich den Verkauf vor?
- Was ist die Praxis wert?
- Fakten aus dem Steuerrecht
- Rechtliche Hintergründe
- Verbleib als Berater/in
- Verkauf und Beratervertrag
- Abschichtung eines Gesellschafters
- Kommunikation des Verkaufs bei Patienten/Personal
Folgende Ausstiegsstrategien sind denkbar
Ein Ausstieg kann natürlich durch den kompletten Verkauf der Praxis erfolgen. Es kann ein Gesellschafter hinzugenommen werden. Man kann der Praxis selbstverständlich auch noch als Berater/in erhalten bleiben.
Welche Unterlagen sind wichtig?
Bewertung einer Arztpraxis: Folgende Unterlagen sind zur Einschätzung des Kaufpreises erforderlich und mit dem Steuerberater abzustimmen:
- Gewinnermittlungen der letzten 3 Jahre
- BWAs & SuSa-Listen der letzten 3 Jahre
- Inventarverzeichnis
- Bestehender Mietvertrag oder Pläne bzgl. der Immobilie
- Arbeitsverträge
- Leasing-, Wartungs- oder sonstige Verträge
- Übernahmevertrag
Folgende Erwägungen gehören zur Entscheidung und in den Businessplan der Praxisübernahme. Weiterhin sind diese Fakten wichtig für die Bewertung einer Arztpraxis.
- Umsatz und Gewinn
- Gründungszeitpunkt (Vorstellung Käufer)
- Übergabezeitpunkt (Vorstellung Verkäufer)
- Fachgebiete
- Überweisungsstruktur
- Leistungsspektrum
- Patientenstruktur
- EDV
- Qualität des Standortes
- Qualität des Personals
- Qualität der Praxisorganisation
- Zukünftige Erfolgsaussichten
- Standorterwägungen (Anbindung, Parkplätze, Barrierefreiheit)
- Personalorganisation und Personalkosten
Geschäftswertschätzung bei der Bewertung einer Arztpraxis
Wie erhalten Sie nun einen realistischen Wert für den Praxisverkauf?
Zunächst mal sollte das Ertragspotential der Zukunft bestimmt werden. Die Rentabilitätsplanung (Auch für die Bank erforderlich) ist auf drei Jahre vorweg zu planen.
Man hat im Gegensatz zur Neugründung auch Ist-Zahlen, so dass man diese als Basis verwenden kann. Wichtig sind natürlich auch Entwicklungen, die sich durch diverse Umstellungen ergeben können. Beispielsweise Skepsis gegenüber dem übernehmenden Arzt von Patienten und Mitarbeitern.
Bei Personengesellschaften muss vom Ebit ein typisches Geschäftsführergehalt – etwa 80.000 bis 120.000 Euro jährlich – abgezogen werden
(Ebit: „Ergebnis vor Zinsen und Steuern“)
Vor allem wenn der Arzt bisher keine fixen Bezüge entnommen hat und den Gewinn des Unternehmens behalten hat
Bei Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) muss das Ebit unter Umständen bereinigt werden
Liegt das bisherige Gehalt weit über den marktüblichen Entnahmen, muss die Differenz zum Ebit hinzuaddiert werden
Bewertung einer Arztpraxis beim Verkauf ?
Berechnung des Firmenwertes
Bei der Berechnung des Firmenwertes gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
Das Multiplikationsverfahren
Bewertung einer Arztpraxis:
Bei dem Multiplikationsverfahren wird der Wert des Unternehmens als ein Vielfaches berechnet.
Der Ebit wird multipliziert. Es folgt die Multiplikation mit einem Wert der von Branche zu Branche unterschiedlich ist.
Wie ist es bei Ihnen? Bei Ärzten gibt es starke Schwankungen in den Berechnungen.
Zunächst sollten Sie folgende Tatsachen abklären:
Wie hoch ist Ihr Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT in Euro)?
Beispielsweise 800.000 € (Freiberufler: Praxisbeispiel) dann Multiplikation mit FaktorX. Über den Multipliaktionsfaktor können besipielweise Kammern und Wirtschaftsprüfer Auskunft geben.
Folgende Faktoren beeinflussen außerdem den Firmenwert in Ihrer Branche:
Patienten, Ausstattung Praxis, Personal, Rentabilitätsrechnung, Digitalisierung.
Sind sie selbst eine Marke oder Ihre Praxis?
Das Vergleichswertverfahren
Beim Vergleichsverfahren wird der Wert eines Unternehmens mit Vergleichsdaten ermittelt.
In Branchen, in denen Verkäufe häufig abgewickelt werden, kennen Verbände oder Kammern diese Vergleichswerte
Bei einer Anwaltskanzlei kann das ein Jahresumsatz sein, bei einer Versicherungsagentur die Summe der jährlichen Prämieneinnahmen. Auch hier gibt es bei den Ärzten starke Schwankungen. Vor allem der Standort und der Patientenstamm müssen Beachtung finden.
Das Substanzwertverfahren
Beim Substanzwertverfahren wird der Verkehrswert des Firmenvermögens in den Fokus gerückt.
Der Marktwert aller Geräte, Vorräte und anderer Dinge abzüglich der Schulden wird berechnet.
Das Substanzwertverfahren ist bewährt, aber eher ein Hilfswert für kleine Betriebe mit teuren Maschinen oder Immobilien
Denn immaterielle Werte wie motivierte Mitarbeiter bleiben außen vor
Substanzwert = Verkehrswert des Firmenvermögens
Das vereinfachtes Ertragswertverfahren
Das durchschnittliche Betriebsergebnis der letzten drei Jahre
wird mit einem Faktor multipliziert, der vom Bundesfinanzministerium jährlich neu festgelegt wird
Das Ertragswertverfahren
Der Wert wird nach diesem Verfahren danach bemessen, was ein Käufer mit der Firma verdienen kann (in die Zukunft ausgerichtet)
Der Durchschnitt der Erträge vor Steuern der letzten drei und der geschätzten Erträge der kommenden drei Jahre.
Das Ertragswertverfahren ist das am häufigsten angewandte, anerkannte Verfahren. Allerdings sind zukünftige Erträge schwierig vorherzusagen.
Der Preis regelt sich aber letztlich über Angebot und Nachfrage
In der heutigen Zeit enstscheiden noch einige andere Anforderungen. Sie verkaufen zumeist an jüngere Kollegen und die sind in den meisten Fällen auch noch an anderen Faktoren interessiert.
Die Digitalisierung ist ein riesiges Thema. Hat zu diesem Thema schon eine Prozessoptimierung stattgefunden. Wie sieht die Website aus? Wie kann die Bearbeitung übernommen werden. Wie ist der gesamte Außenauftritt in Social Media- und Bewertungsportalen? Es steht für einen potentiellen Käufer die Entscheidung an, ob er neu gründet oder eine Praxis übernimmt. Demnach sollte man ihm die Übernahme so einfach wie möglich machen.
Steuervorteile für Freiberufler
Wie sieht es aus mit den steuerlichen Vorteilen. Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe einer freiberuflichen Praxis gehören nach § 18 Abs. 3 EStG zwar zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit, werden aber in ganz besonderer Weise steuerlich privilegiert.
Auf Antrag wird gem. § 16 Abs. 4 EStG bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ein Steuerfreibetrag bis maximal 45.000 EUR gewährt.
Gesetzliche Grundlagen sind die §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG.
Den Freibetrag (max. 45.000 €) erhält nach § 18 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG nur, wer mindestens 55 Jahre alt oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist.
Ab 181.000 EUR Veräußerungs- oder Aufgabegewinn gibt es keinen Freibetrag mehr.
Das 55. Lebensjahr muss im Veräußerungszeitpunkt vollendet sein.
Als Veräußerungszeitpunkt ist nicht der Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts zu sehen.
Demnach nicht das Datum des Kaufvertrags
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an wesentlichen Betriebsgrundlagen also
das dingliche Rechtsgeschäft ist ausschlaggebend
Den Freibetrag gibt es nach § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG nur einmal im Leben, deshalb muss ihn der Arzt (oder sein Steuerberater) in der Steuererklärung beantragen. Immerhin: Freibeträge, die vor dem 1.1.1996 in Anspruch genommen wurden, bleiben unberücksichtigt.
Besonders üppige Gewinne profitieren nicht – oder nur in begrenzten Umfang – von der steuerlichen Privilegierung qua Freibetrag
Übersteigt der Veräußerungs-/Aufgabegewinn 136.000 Euro, wird der Freibetrag um den übersteigenden Betrag gekürzt. Ab 181.000 Euro Veräußerungs- oder Aufgabegewinn gibt es keinen Freibetrag mehr.
Als Veräußerungsgewinn setzt das Finanzamt dabei – grob vereinfacht – denjenigen Betrag an, um den der Verkaufspreis die Veräußerungskosten und vorhandenes Anlagevermögen übersteigt.
Bleiben Sie der Praxis zunächst als Berater erhalten
Eine weitere Möglichkeit ist die Option der Praxis als Berater erhalten zu bleiben. Davon kann der übernehmende Arzt profitieren und für den scheidenden Arzt ist der Übergang etwas weicher.
Diese Situation kann natürlich auch zu Generationskonflikten führen. Das ist sicherlich eine Typfrage und sollte für den Einzelfall entschieden werden.
Der Beratervertrag beinhaltet alle Fragen rund um die Praxisorganisation und um Medizinische Spezialverfahren. Welche Vorteile können sich aus einer solchen Konstellation ergeben?
- Beruhigung der Patienten
- Beruhigung der Bank des Käufers
- Lieferanten und Kooperationspartner
- Verkäufer der Praxis hat noch Einblick und Einnahmen
- Steuervorteil
- Variable Kaufpreisgestaltung
Die Veräußerung eines Gewerbebetriebs im Ganzen
Für die steuerlichen Vorteile ist die Veräußerung des Gewerbebetriebes als Ganzes erforderlich
Diese setzt voraus, dass einerseits das wirtschaftliche Eigentum an
allen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber übertragen wird und
andererseits die bisherige freiberufliche Tätigkeit vollständig beendet wird.
Letztere Voraussetzung ist fraglich, wenn der Veräußerer weiter für den bisherigen Betrieb tätig ist.
Der BFH(Bundesfinanzhof) hat zu der Frage Stellung genommen, ob die Übernahme einer Beratertätigkeit für den Erwerber des Betriebs steuerschädlich im Hinblick auf die Privilegierungen der §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG ist.
Der BFH befand, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers nach§§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigt sei, da der Kläger seine bisherige Tätigkeit vollständig eingestellt und sich eine neue Einkunftsquelle erschlossen habe (Einahmen durch Beratungstätigkeit). Entscheidend sei, dass der Veräußerer die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der Praxis einschließlich des Kundenstamms zivilrechtlich und wirtschaftlich auf den Erwerber übertrage.
Beschäftige er den bisherigen Praxisinhaber noch als Arbeitnehmer oder freien Mitarbeiter, so bestünden zwischen dem Praxisveräußerer und den Kunden keine selbständigen Rechtsbeziehungen mehr. Die Kunden würden Rechtsbeziehungen nur zu dem Erwerber unterhalten.
Er allein sei somit Inhaber des Honoraranspruchs gegenüber den Kunden. Damit verfüge er allein zivilrechtlich und wirtschaftlich über die Vorteile aus dem Kundenstamm.
Ein paar Tipps
Bereiten Sie die Praxisnachfolge frühzeitig vor. Folgende Punkte sind wichtig:
- Gespräch mit dem Steuerberater und Unternehmensberater
- Für aussagekräftige Zahlen sorgen
- Rechtzeitig die Mitarbeiter einbinden
- Nachfolger/in behutsam einführen
- Begleitung bei Bankgespräch und Businessplan
- Helfen Sie dem Nachfolger zum richtigen Zeitpunkt!
- Einarbeitungsphase planen
- Patienten/Tierhalter informieren
- Aufbau de neuen Teams
- Plakative Darstellung der Vorteile
- Anekdoten aus Ihrer Gründungszeit
Insgesamt wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Vorbereitung.
Bei Fragen rufen Sie mich gerne an: 0171-2886665
Es gibt für die die Beratung im Zusammenhang mit der Praxisnachfolge Beratungskostenzuschüsse in Höhe von 80 % der Kosten.
Sie möchten Ihre Praxis verkaufen und benötigen eine geförderte Beratung?
Rufen Sie die Autorin gerne an:
Nicole Biermann-Wehmeyer
0171-2886665
Schreiben Sie uns ansonsten gerne eine Mail: